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WEGE ZUM RUHM

Handwerklich-technisch gesehen bin ich für meine Familie natürlich eine glatte Enttäuschung. Nehmen wir mal unseren Video-Recorder. Es soll Menschen geben, die in der Lage sind, ein solches Gerät mittels Kabel sinnreich an einen Fernseher anzuschließen. Ich gehöre nicht zu ihnen. Ich bin Literaturkritiker. Ich las die Bedienungsanleitung, war über Stil, Handlung und Hauptfiguren entsetzt und ließ einen Elektrotechniker kommen. „Null Problemo“, meinte der, „das Kabel hier rein und hier. Dann die eine Fernbedienung hier, hier und hier drücken und dann die andere hier und hier […]



Die Schrecken der Nächte und der Finsternis

Marten ist ein stilles Kind. Unser stillstes. Gestern ließ er die ganze Nacht nichts von sich hören. Es war herrlich. Bis er sein neunjähriges Patschhändchen auf unsere Schlafzimmer-Klinke knallte, gegen die friedlich schlummernde Tür sprang und neben dem Bett stand. So gegen drei Uhr früh. Kann sein, dass Annette und ich einen irgendwie beunruhigenden Eindruck auf ihn machten: Zwei aus den Kissen gerissene Köpfe, zwei schreckensblasse Gesichter, vier grauengeweitete Augen. Aber allem Anschein nach hat er bei unserem Anblick keinen Schaden genommen. Zumindest hat er […]



Ein Gespräch Marcel Reich-Ranicki über das schwierige Verhältnis zwischen deutscher und polnischer Literatur

Wo man Dichter wie Könige bestattet Ein Gespräch Marcel Reich-Ranicki über das schwierige Verhältnis zwischen deutscher und polnischer Literatur Polen ist das größte und bevölkerungsreichste Land, das 2004 der EU beigetreten ist. Marcel Reich-Ranicki wurde 1920 im polnischen Włocławek geboren, verbrachte seine Jugend in Berlin und lebte nach der Deportation durch die Nazis 20 Jahre in Warschau. Neben anderen Auszeichnungen erhielt er den Samuel-Bogumił-Linde-Preis, der für Verdienste um die deutsch-polnischen Literaturbeziehungen verliehen wird. Uwe Wittstock: Polen und Deutschland sind Nachbarländer, deren Vergangenheit, milde gesagt, sehr […]



Gespräch mit Marcel Reich-Ranicki über seinen Kanon „Deutsche Literatur“

Gespräch mit Marcel Reich-Ranicki über seinen Kanon „Deutsche Literatur“ Uwe Wittstock: Ihr Kanon soll, wenn er fertig ist, fünf gewichtige Buchkassetten umfassen: Die 20 Bände des Roman-Kanon sind im vergangenen Jahr erschienen, jetzt kommen in 10 Bänden die Erzählungen. Dramen, Gedichte und Essays sollen folgen. Wie lange haben Sie an der Zusammenstellung dieses Großprojekts gearbeitet? Marcel Reich-Ranicki: Rund siebzig Jahre. Ich sage das ohne Koketterie. Vor siebzig Jahren war ich dreizehn Jahre alt und fing an, Literatur zu lesen, vor allem deutsche. Damals war ich bei […]